Von Max Eyth, dessen Erzählungen und Romane zu Anfang des 20. Jahrhunderts Bestseller wurden, sind gegenwärtig im Buchhandel folgende Werke lieferbar :
- Hinter Pflug und Schraubstock. Skizzen aus dem Taschenbuch eines Ingenieurs. (ISBN: 3-421-06303-6) Deutsche Verlags Anstalt
- Die Brücke über die Ennobucht (ISBN: 3-15-005601-2) RECLAM PHILIPP JUN., DITZINGEN Reclams Universal-Bibliothek
- Die Cheopspyramide. (ISBN: 3-404-14212-8) LUEBBE GUSTAV, BERGISCH-GLADBACH
- Der Schneider von Ulm. Historischer Roman um den Mann, der vom Fliegen träumte. (ISBN: 3-404-13880-5) LUEBBE GUSTAV, BERGISCH-GLADBACH
Die stärkste Beachtung findet heute in der Literaturwissenschaft die Erzählung „Berufstragik“, die Eyth 1899 in „Hinter Pflug und Schraubstock“ veröffentlicht hat. Diese Erzählung wird von dem Reclam-Verlag unter dem Titel „Die Brücke über die Ennobucht“ herausgegeben.
DEUTUNG EINER TECHNISCHEN KATASTROPHE IN MAX EYTHS ERZÄHLUNG „BERUFSTRAGIK“
In der Nacht vom 28. zum 29. Dezember 1879 riss ein Wintersturm, der über Schottland hinwegfegte, einen Teil der Brücke über den Tay bei Dundee ein, als ein Zug mit etwa 90 Insassen darüber fuhr. Der Zug stürzte 30 Meter tief in die Fluten der meerartigen Mündung des Tay, alle Insassen kamen um. Die Erregung, die diese Katastrophe hervorrief, ist umso leichter verständlich, als es sich bei dieser Brücke um die damals längste und modernste Brücke der Welt handelte.
Zwar war die ungeheure Bewegung, in die Europa durch den Bau von Eisenbahnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versetzt worden war, schon immer von besorgten Stimmen begleitet, jetzt aber löste die Katastrophe einen nachhaltigen Schock aus. Theodor Fontane schrieb nur eine Woche nach diesem Ereignis seine bekannte Ballade „Die Brück am Tay“, in der er die Grenzen der Naturbeherrschung durch Technik zum Thema macht :“Tand, Tand / Ist das Gebilde von Menschenhand“. Max Eyth greift das gleiche Geschehen in seiner Erzählung „Berufstragik“ auf. Er zeigt es uns aus der Perspektive des leitenden Ingenieurs, dessen sachliche und menschliche Untadeligkeit er betont. Nach Eyths Deutung ist dieser Ingenieur „unschuldig – schuldig“, da er es an keiner ihm möglichen Vorsorge fehlen lässt und doch in seinem Werk scheitert. Dieses Scheitern ist jedoch nach Eyth eine nicht auszuschließende mögliche Tragik des Ingenieurs, der sich immer wieder als Pionier an Grenzen begibt, wo bisherige Sicherheiten nicht mehr gegeben sind. Wie berechtigt solche Überlegungen sind, zeigen Selbstmorde von Brückeningenieuren, die sich der Last der Verantwortung nicht mehr gewachsen sahen, deren Bauwerke aber bis heute allen Beanspruchungen standgehalten haben. In dem letzten, „Neues Leben“ überschriebenen Abschnitt der Erzählung versucht Max Eyth den Leser von dem Starren auf die Katastrophe wegzuführen, hin zu neuen Aufgaben und Zielen. So berechtigt diese Absicht ist, so enttäuschend flach ist doch die Abwertung des Forschens nach den Ursachen des Unglücks, die in den letzten Seiten der Erzählung mitklingt : „Das Zurückblicken ist nicht meine Sache“, sagt der Erzähler. Und doch kann nur der Blick zurück Maßstäbe liefern, die von dem Zwang zur Wiederholung von Katastrophen befreien könnten.
Literaturhinweise zu der Erzählung „Berufstragik“:
- Harro Segeberg : Literarische Technik – Bilder Studien zum Verhältnis von Technik- und Literaturgeschichte im 19. Und frühen 20. Jahrhundert, Tübingen : Max Niemeyer 1987, S.107 – 172.
- Harro Segeberg: Literatur im technischen Zeitalter. Von der Frühzeit der deutschen Aufklärung bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Darmstadt : Wiss. Buchgesellschaft 1997, S. 197 – 201.
- Wolfgang Hädecke: Poeten und Maschinen Deutsche Dichter als Zeugen der Industrialisierung München : Hanser 1993, S.370 – 386.
- Volker Mueller: Literatur der Eisenbahnzeit Technikwahrnehmung im 19. Jahrhundert Unterrichtseinheit für die Sek. II. Deutsch : Betrifft uns, Heft 2/92.9 Aachen : Bergmoser + Höller 1992
Eyths Romane können heute nur noch literaturgeschichtlich interessieren. Als Schriftsteller hat Eyth keine Form für die neue technische Thematik finden können. Dass er jedoch die Technik als Fortschritt feierte, weil sie den Menschen von der Qual schwerer körperlicher Arbeit befreit, darüber sollte niemand die Nase rümpfen, der solche Arbeit niemals kennen gelernt hat.